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Es war gar keine so abwegige Idee gewesen, wenn man es sich heute anschaute. Aber anfangs war es die Sorte Idee, die nur nach einer halben Flasche Schnaps geboren werden kann:
Wenn die Leute schon zur Musikschule gingen oder zur Tanzschule, wieso gab es dann keine Erotikschulen? Es gab so vieles, worin man gut sein könnte, aber die einzige Möglichkeit das alles zu lernen bestand darin, sich unbeholfen auszuprobieren, zusammen mit Leuten, die genau so unbeholfen waren. Und, naja, Pornografiekonsum machte es alles nicht besser. Wenn aber, so unsere Überlegung zwischen White Russian und Mojito, die Leute ihren Partner wirklich lieben, dann sollten sie ihm doch kompetent gegenüber treten können. Und mit Selbstvertrauen.
Also könnte man doch das ganze Konzept von der Musikschule übertragen: Einzelunterricht oder Paarunterricht, verschiedene Richtungen, optional Prüfungen. Was für eine herrlich absurde Idee! Blowjob-Diplom! Sag mir, dass Du Deutscher bist ohne mir zu sagen, dass Du Deutscher bist.
Wir kritzelten das Konzept so runter, in dem Wissen, dass Kreativität nur im Moment funktioniert, und dass die Umsetzung die zehnfache Arbeit sein würde. Also zunächst das Credo:
- Größtmögliche Ernsthaftigkeit! Wer bei uns anklopft, hat allen Respekt verdient.
- Keine Tankstellenporno-Ästhetik! Die Kostüme nicht albern, die persönlichen Anreden unverdächtig. Subtilität und Eleganz entstehen ganz von allein.
- Einen guten Ruf aufbauen! Schüler:innen ablehnen oder mit Material abspeisen, wenn sie nicht als Repräsentant:innen taugen. Aufnahmeprüfungen und Bewerbungen kosten nichts, halbseidene Schüler kosten alles.
Ein halbes Glas später hatten wir das Programm beisammen:
- Verführung und erotisches Auftreten. Laszive Gesten, Fotogenität. Wie man Spannung aufbaut, und wann man die Kontrolle verlieren sollte.
- Massage-Handjob-Blowjob. Aller Anfang ist schwer. Wie man die Vorspeise zum Hauptgericht macht.
- BDSM und Rollenspiele. Die eigene Rolle finden, das Profil schärfen. Grenzen austesten und dabei rot werden.
- Eins, zwei, viele: Wie man einen Wagen mit fünf Rädern fährt, ohne dass Freundschaften kaputtgehen. Wie hat man Spaß zu dritt oder viert, was klappt nicht bloß in der Fantasie?
Einzelne Unterrichtseinheiten:
- Masturbation ohne Scham (für Damen)
- Masturbation ohne den Würgegriff des Todes (für Herren)
- Einführung in den Hintern (für beide)
- Orgasmus nach Wunsch (für beide)
- Sicherheit für die, die Regeln brauchen (für beide, wenn sie devot sind).
Verdammt, dachten wir. Das ganze Ding nahm Formen an und sah nach fünfzehn Minuten schon so aus, als würden wir es ernst meinen. Wir schauten unserer Zukunft ins Auge, und sie blickte zurück auf uns. Fügt euch endlich eurem Schicksal, sagte sie.
Wir klickten die Website zusammen. Eine Woche lang zeigten wir sie niemandem außer uns selbst. Danach begannen wir, das Gästezimmer als Unterrichtsraum herzurichten, und redeten mit den Betreibern von Swinger-Appartments über stundenweise Nutzung. Schließlich schrieben wir unsere Dozentenbiografien.
Beide Mitte 30, beide ordentlich rumgekommen. Sie zwar bi aber nicht so curious, er straight aber mit einem großen Herz für twinks. Er dominant wg. Hormonspiegel, außer man krault ihm den Rücken. Sie unterwürfig wg. Körpergröße, außer es läuft etwas nicht so, wie es soll. Beide zu ausgefüllt um hier jetzt Sexualpartner zu suchen. Beide aber auch: Zu viel gesehen, gelesen und gemacht, um es für sich zu behalten. Als eine neue Art von Erwachsenenbildung sehen wir uns nicht als Therapeuten, die man ruft um ein Problem zu beheben, sondern als Dozenten, die man in Anspruch nimmt, wie etwa wenn man ein Instrument lernen möchte.
Egal, wie das jetzt klang. Mailadresse drunter, ab damit in die sozialen Netzwerke, Flyer drucken und verteilen.
Bestenfalls meldete sich niemand. Dann hätten wir unseren Spaß gehabt, und hätten in einem Haufen Köpfe ordentlich Verwirrung gestiftet. Und schlimmstenfalls ... naja. Schlimmstenfalls würde die nächste Steuererklärung ECHT awkward.
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