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Das Polarstern hatte sich gut etabliert, sein Konzept musste auch nicht mehr ständig erklärt werden: Die Gäste wurden von der Garderobe an in völlige Dunkelheit geführt, hinter dicken Theatervorhängen ging es in den unbeleuchteten Gewölbekeller. Die Bedienung war meistens nicht sehend und kannte sich perfekt aus, die Gäste waren meistens sehend, übervorsichtig und stolperig. Das Menü wurde besprochen, die Teller kamen durch den Speisenaufzug herabgefahren, das Restaurant verzichtete auf hohe schmale Gläser und die Gäste auf grundlegende Tischmanieren.
Das Besondere: Alle zwei Monate gab es den Jour Fixe 18 , der nicht beworben wurde. Es war for those who know. Der stilvolle gehobene Restaurantbetrieb, in dem sonst schon alle mit den Fingern aßen, wurde zusätzlich gebrochen, indem Sexualität nun wie selbstverständlich zum Menü gehörte. Was das bedeutete, wurde individuell abgestimmt. Der Garderobenservice wurde erweitert, zwischen den Gängen oder auch am Eingang konnten alle Kleidungsstücke abgegeben werden. Es konnte auch passieren, dass auf dem Vorspeisenteller nichts lag als ein Spielzeug. Es konnte auch passieren, dass die Kellner*in berührt werden wollte.
Das Niveau wurde bei aller Perversion gewahrt: Stumpfer Sex war nicht gern gesehen, das einfache Rein-Raus war im Gastraum nicht erlaubt. Vorspiel war hingegen ausdrücklich erwünscht, Nacktheit auch. Nicht erwünscht hingegen war das Aussprechen des Ungewissen. Mitteilungen wie "Ich bin so hart" oder "Leck mich zwischen den Beinen" durften allenfalls im Flüsterton übermittelt werden. Nonverbale Kommunikation war bevorzugt, etwa durch das Führen der Hand des Tischnachbarn. Wenn etwas zwei Tische weiter hörbar wurde, dann musste es das Unvermeidliche sein. Der Rahmen des Möglichen wurde bei der Tischreservierung abgesteckt, damit kleine Überraschungen nonchalant serviert werden konnten.
Das Publikum war gehoben, aber divers und anonym. Die Einladung erfolgte über einschlägige Clubs und über Freunde von Freunden, aber nicht jeder kannte jeden. Und niemand wusste, wer diesmal am Nebentisch saß, oder was dort vor sich gehen würde. Leise Musik half dabei, den Raum nicht trocken erscheinen zu lassen, aber es war kein Club, in dem alles übertönt worden wäre. Die Gäste legten tatsächlich Wert auf normale Konversation, wo sich Themen des Alltags mit sexuellen Themen abwechselten, die im Mantel der Dunkelheit selbstverständlich ausgesprochen werden konnten. (Konsens war aber auch, dass politische Gespräche und alles ähnliche, was andere Gäste aus ihrem individuellen Flow bringen konnte, besser anderswo besprochen wurden.)
Wer bist du in diesem Setting? Die Kellnerin, die die Gäste ermahnen muss, sich aber zum Dessert selbst auf den Tisch legt? Meine Freundin, die vor dem Hauptgang unter den Tisch kriecht und mit verklebtem Gesicht und Oberkörper wieder hervorkommt, ohne dass ein Wort darüber verloren wird? Der Neuling am Tisch mit einem etablierten Paar, der die Ohren spitzt und langsam begreift, was alles möglich ist? Die Dame, die zwei Kerle gegenüber setzt, die nicht wissen, was gerade mit dem anderen passiert? Der Kellner, der für ihr Dessert aus ihm die besondere Zutat herausholt? Lass uns die Figuren erschaffen und dann loslegen.
(Hey! Ich mag das verdeckte Spiel in der Öffentlichkeit. Einen Plug tragen kann aber jeder, deshalb suche ich den Remix: Eine begrenzte Öffentlichkeit, in der alle eingeweiht sind, und die Dunkelheit erzeugt die Spannung und das Verlangen. Kein Rudelbumsen und keine völlige Schamlosigkeit, sondern alles, was nun möglich wird, soll sich besonders anfühlen. Ich bin bei Personal und Handlung nicht festgelegt, schreibt euch ruhig was auf den Leib. Ich bin straight und tippe mit zwei Händen oberhalb der Tischplatte.
Ich möchte das setting respektvoll behandeln und nicht einfach einhändig "lol Blinde" tippen, etwa als hätte nur eine Person eine Augenbinde auf und der Rest könte alles sehen. Voyeurismus funktioniert hier über die Ohren und niemand hat eine Nachtsicht-Überwachungskamera oder sowas. Die Dunkelheit, die für alle unterschiedlich ungewohnt ist, soll die Hauptrolle bekommen.)
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